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Christoph Gann beim „Kriminalpräventiven Dialog“

Der Landespräventionsrat lud am 25. März 2019 Christoph Gann, Richter am Landgericht Meiningen und Buchautor, ins Augustinerkloster zu Erfurt ein. Seit vielen Jahren befasst sich dieser mit dem Leben und Wirken des 1890 in Meiningen geborenen Fritz Bernstein (später: Peretz Bernstein), einer der Staatsgründer Israels. Neben einem kurzen Einblick in dessen Biografie referierte Christoph Gann zu Bernsteins Forschungen zum Antisemitismus als Gruppenerscheinung.

Bernstein vertritt in seinem im Jahr 1926 erschienenen Buch „Antisemitismus als Gruppenerscheinung. Über den Versuch einer Soziologie des Judenhasses“ (hier zitiert nach dem 1980 erschienenen Nachdruck) die These, dass der Begriff des Antisemitismus … in Wirklichkeit etwas anderes (bedeutet), als der Name besagt“ (a.a.O., S. 17). Denn die „feindliche Einstellung“ (ebd.) richte sich nicht gegen die Semiten als Rasse, zu denen ja auch die Araber gehören, „sondern nur gegen die Juden.“(ebd.) Entsprechend seien „den Antisemiten die nichtjüdischen Semiten gleichgültig; manchmal erfreuen sie sich sogar ausgesprochener Wertschätzung seitens eingefleischter Judenhasser.“ (ebd.)

Die Rechtfertigung für den Judenhass ist nicht nur religiös motiviert, sondern wurzelt in einem im Grunde genommen irrationalen Gefühl (Sentiment) gegen Juden. Auch hat es nach Bernstein „nie an Beschuldigungen weltlicher Art gegen die Juden gefehlt; bei ernsteren Ausschreitungen gesellten sich fast immer aktuelle Verdächtigungen strafrechtlicher Art zu den religiösen Haßmotiven.“ (ebd., S. 15)

Folgt man Bernsteins These, dass der Antisemitismus „eine Folge der jüdischen Diaspora“ (ebd., S. 12) ist, kann dieses Problem nach ihm nur gelöst werden durch die Gründung eines eigenen Staates der Juden. Denn dadurch könne die Erscheinung des Antisemitismus „liquidiert werden“ (ebd.), der nur eine Folge „der jüdischen Diaspora“ (ebd.) sei.

Dass Bernstein zu den Gründern des Staates Israel gehörte, kann man folglich als konsequente Umsetzung seiner im Jahre 1926 publizierten Argumentation sehen. Sein Werk, das in der soziologischen Fachwelt nicht rezipiert wurde, ist weniger bestechend hinsichtlich der begrifflichen Prägnanz, sondern bedeutsam zur Rekonstruktion der Denkweise des Zionismus.

Literaturnachweis

Fritz Bernstein (1980): Der Antisemitismus als Gruppenerscheinung. Versuch einer Soziologie des Judenhasses. Nachdruck der ersten Auflage von 1926. Königstein/Ts.: Jüdischer Verlag.